Stellen Sie sich vor, Sie haben massive Knie- oder Hüftgelenkprobleme, werden im Krankenhaus aber nicht behandelt. Wieso fragen Sie sich. Ist doch ganz einfach: Sie sind zu dick! Das ist ja wohl ein Witz meinen Sie? Leider weit gefehlt. Zumindest, wenn Sie in Großbritannien leben. Dort wird diese etwas andere Art der Zweiklassen-Medizin, nämlich bereits munter praktiziert. Laut Ärztezeitung, haben englische Krankenhäuser – angesichts fehlender Gelder im Gesundheitsetat – vor kurzem tatsächlich damit begonnen adipöse Patienten bei bestimmten routinemäßig geplanten Eingriffe, wie etwa Knie- und Hüftgelenksoperationen, wieder nach Hause zu schicken. Mit einem Bodymass-Index (BMI) von 30 und mehr dürfen sich Patienten im staatlichen englischen Gesundheitsdienst zukünftig nur noch dann operieren lassen, wenn sie es schaffen zehn Prozent ihres Körpergewichts abzunehmen. Ohne Gewichtsreduktion müssen Sie dagegen ein Jahr warten, bevor sie wieder erneut anfragen dürfen.

Aber nicht nur Dicke, auch Raucher kriegen auf der Insel ihr Fett weg: In der Region North Yorkshire werden Nikotinabhängige künftig nicht mehr operiert, wenn der Eingriff nicht lebensnotwendig ist und sie nicht bereit sind dem Glimmstängel abzuschwören. Diese Art der Diskriminierung ist mehr als beängstigend, denn spinnt man die Idee weiter, könnten nach diesem Prinzip durchaus auch noch weitere Patientengruppen mit einer Behandlungsverweigerung bestraft werden: Alkoholiker zum Beispiel, wenn sie das Trinken nicht lassen, Extremsportler, wenn sie ihr Hobby nicht aufgeben, Impfgegnern, wenn sie sich nicht impfen lassen oder Krebspatienten, die die Vorsorge nicht wahrgenommen haben. Spinnt man noch weiter, könnten letztendlich auch Besucher von Rockkonzerten, Vorsorgeverweigerer, Drängler auf der Autobahn oder auch Arbeitslose zu Verhaltensänderungen genötigt werden, um eine medizinische Behandlung zu erfahren. Das ist erstens unmoralisch und zweitens sinnlos, denn langfristige Verhaltensänderungen funktionieren nur durch Einsicht und nicht durch Zwangsmaßnahmen.

Aber immerhin lässt sich eine Menge Geld einsparen…oder? Die Antwort ist ein klares Nein, denn kranke Menschen werden nicht gesünder, wenn man sie bestraft, statt ihnen zu helfen. Wenn der Übergewichtige Depressionen entwickelt und weitere Kilos zulegt, weil er nicht mehr laufen kann und der Raucher seinen Job verliert, weil ihn Hüftschmerzen plagen, ist für die Allgemeinheit rein gar nichts gewonnen. Die Kosten laufen dann nur an anderer Stelle auf. Alles in allem also ein Nullsummenspiel oder sogar eine Minusrechnung. Bleibt stark zu hoffen, dass diese Ungleichbehandlung von Patienten in Europa nicht Schule macht. Auf diesen Schock hin gönn ich mir jetzt erstmal einen Schluck Wein und ein paar Stücke Schokolade. Ich lebe ja Gott sei Dank in Deutschland.